Werden Organisationen durch digitales Lernen dumm?

Digitalisierung ist „in“ und Organisationen müssen lernen, um zu überleben. Also liegt es nahe, den Wissenstransfer aus den Köpfen der Mitarbeiter hinein in formale Strukturen ebenfalls zu digitalisieren. Aber führt das nicht zur Verdummung der Organisation?

Dr. Wolfgang Karrlein

Das Thema Lernen, um sich auf neue Situationen im Markt oder im Unternehmen einzustellen, ist ein immer wiederkehrendes Thema in unseren Projekten. Lernen ist mit Veränderung und Adaption aufs Engste verbunden.

Teilnehmer einer Besprechung am Tisch. Im Hintergrund ist ein digitales Gesicht mit Daten zu sehen.

Daten sind noch keine Information und Information noch kenn Wissen. Erst der Mensch kann zusammen mit Erfahrung aus Informationen Wissen generieren. (Bild: iStock.com/FangXiaNuo & iStock.com/monsitj)

Da Unternehmen und Organisationen durch die ganze Digitalisierungswelle auf Veränderung, Effizienz und Effektivität getrimmt werden, spielt digitales Lernen in Organisationen natürlich eine Rolle. Nur ist digitales Lernen der richtige und/oder einzige Weg? Welche Folgen kann eine, wie auch immer geartete, Digitalisierung des Lernens für Organisationen und ihre Fähigkeit, auf Veränderungen zu reagieren und mit der heutigen Dynamik umzugehen, haben?

Eine falsch verstandene oder mangelhaft durchgeführte Digitalisierung des Lernens kann zum Gegenteil von dem führen, was man eigentlich erreichen möchte. Oder provokant formuliert: Digitales Lernen macht Unternehmen dumm.

Dazu im Folgenden und in den beiden nächsten Blogbeiträgen einige Gedanken:

Daten – Information – Wissen?

Eine wesentliche Fragestellung ist: Was ist Wissen eigentlich und wie unterscheidet es sich von Information und reinen Daten?

Ohne hier eine allzu strenge oder gar wissenschaftliche Definition zu geben: Der Wert und auch der Aufwand, diesen zu nutzen, steigt von links nach rechts. Daten sind Daten – also erst einmal tote Bits und Bytes. Durch eine Selektion anhand bestimmter Kriterien wird aus diesen die Information extrahiert. Das sind dann nicht mehr nur Rohdaten, denn diese wurden aufgearbeitet und in Beziehung zueinander gebracht. Um aus der Information Wissen werden zu lassen, benötigt es noch Anwendung und Praxiserfahrung. Wissen ist also eine Art „geronnene Erfahrung“. Erst dieses Wissen kann auf unbekannte, aber ähnliche, Situationen übertragen werden.

Ein Dilemma stellt nun schon die Selektion dar: Einerseits muss selektiert werden, da sonst die Menge an Daten zu groß ist, um etwas zu erkennen. Erst durch eine Sinnzuweisung, und etwas anderes ist die Selektion nicht, erhalten die Rohdaten den Status einer Information, die benutzbar ist. Aber: Mit jeder Selektion werden unvermeidlich Daten ausgeblendet und damit geht auch Information verloren. Dies ist ein immerwährendes Dilemma, mit dem man umgehen muss.

Wie lernt eine Organisation überhaupt?

Es sind zunächst einmal die Individuen in einer Organisation, also die Mitarbeiter, die etwas lernen und Erfahrungen sammeln und nicht die Organisationen selbst. Damit sind das Wissen und die Erfahrung an diese Personen gebunden und verlassen jeden Abend die Organisation – und kehren am nächsten Morgen dorthin zurück. Streng genommen hat die Organisation als solche nichts gelernt.

Teilnehmer einer Besprechung am Tisch. Oberhalb ist ein stilisiertes Gehirn zu sehen.

Erst wenn das Wissen aus den Köpfen der Menschen formalisiert wurde, hat die Organisation als solche etwas gelernt (Bild: iStock.com/FangXiaNuo & iStock.com/iLexx).

Es sind nur die in ihr arbeitenden Menschen, die jetzt mehr wissen und die mehr Erfahrungen gesammelt haben. Und dieses Wissen und diese Erfahrung bringen sie in ihre Arbeit ein. Oder, bei demotivierenden Arbeitsbedingungen, eben nicht. Dann ist das Gelernte sprichwörtlich nur physikalisch anwesend, leistet aber keinen Beitrag.

Organisationen können für sich nur dadurch lernen, dass sie Wissen und Erfahrungen, das sich in den Köpfen der Menschen befindet, aus diesen Köpfen herausholt und es in Geschäftsmodelle, Strukturen, Regeln, Anweisungen, Prozesse, SoP und Ähnliches transferiert. Auf diese Weise wird das Wissen formalisiert und damit überhaupt erst von den wissenden und erfahrenen Personen unabhängig und für andere in der Organisation nutzbar und bleibt bei Weggang des oder der Wissenden erhalten.

Mumifiziert erfolgreiches Lernen die Organisation?

Damit gerät die Organisation aber in ein weiteres Dilemma. Denn durch den aufwändigen Prozess des organisationalen Lernens – also der Übertragung aus den Köpfen in formale Strukturen – wird dieses Wissen zwar konserviert und breiter nutzbar, aber auch schwerer zu verändern. Dieser Prozess kostet Ressourcen, Kraft, Zeit und Geld, denn es muss meist gegen einmal Gelerntes angegangen werden und Befürchtungen und Barrieren überwunden werden. Der Vorgang geschieht auch nicht von heute auf morgen – wer schon einmal versucht hat, veränderte Vorgehensweisen, beispielsweise mit einem neuen Customer-Relationship-Management-(CRM-)System, flächendeckend einzuführen, weiß was das bedeutet: die Arbeitsanweisung ist schnell geschrieben – das reale danach Handeln dauert deutlich länger.

Das Lernen von Organisationen bedeutet ein teilweise heftiges Investment: Daher werden auch der Unmut über die stetige Anpassung und die Widerstände gegen das Um- und Neulernen kontinuierlich größer und stärker. Je erfolgreicher und umfassender der vorhergehende Lernprozess war, desto fester sind die Strukturen, die Machtverhältnisse, die Glaubenssätze und Überzeugungen ausgeprägt. Damit steht die Organisation sich selbst massiv im Weg. Kurz gesagt: Ist ein Lernprozess der Organisation erfolgreich abgeschlossen, erschwert dies den Erfolg des nächsten.

Fortsetzung folgt!

In diesem Beitrag haben wir beschrieben, dass Lernen und Erfahrung etwas sehr Individuelles sind. Das daraus gewonnene Wissen kann nur dann für Organisationen nutzbar gemacht werden, wenn es in formale Vorgaben gepresst wird. Die beiden folgenden Blogbeiträge gehen dann auf die Frage ein, was Digitalisierung im Kontext von Lernen eigentlich bedeutet und warum digitales Lernen problematisch sein kann und nicht selten zur Verblödung einer Organisation beitragen wird.

Wie die Blockchain unsere Wirtschaft revolutioniert

Die Blockchain-Technologie verändert die Wirtschaft. Verträge werden anonym und ohne Vermittler geschlossen. Dies alles hat Auswirkungen, die gemeistert werden müssen.

Neue oder weiterentwickelte Technologien bewirken meist Veränderungen. So haben Messengerdienste wie WhatsApp unser Kommunikationsverhalten revolutioniert oder Streaming Dienste wie Spotify die CD weitgehend verdrängt. Und nur die Älteren unter uns können sich noch erinnern, dass Bargeld früher nur am Bank- oder Postschalter erhältlich war.

Der Blockchain als verteiltes Hauptbuch wird vorhergesagt, dass sie die Weise, wie wir Transaktionen durchführen, revolutionieren wird (Foto: iconimage / Fotolia).

Der Blockchain als verteiltes Hauptbuch wird vorhergesagt, dass sie die Weise, wie wir Transaktionen durchführen, revolutionieren wird (Foto: iconimage / Fotolia).

Ein Beispiel aus jüngerer Zeit für durch neue Technologien ausgelöste Veränderungen ist das Smart Grid. Ausgelöst durch den Wunsch, verfügbare Energien effizienter zu nutzen und durch den Zwang, der sich aus der dezentralen Erzeugung mittels regenerativer Energien ergeben hat, wird derzeit das Energiesystem weltweit umgestellt. Es muss „smart“ beziehungsweise „intelligent“ werden, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Dies bewirkt große Veränderungen bei allen Stakeholdern, die ansonsten Gefahr laufen, vom Markt zu verschwinden. Dies hatten wir bereits in einem früheren Blog besprochen[1].

Digitalisierung und Vernetzung bedingen Veränderungen

Oder die Industrie 4.0. Um das Jahr 2000 waren E-Commerce und E-Business die Modewörter schlechthin. Der schnelle Tod von Buchhandlungen und Reisebüros wurde vorhergesagt (und blieb weitgehend aus), das Business-to-Consumer-(B2C-)Geschäft war der mediale Renner. Die Entwicklung ging weiter und griff auf das Business-to-Business-(B2B-)Geschäft über. Die Digitalisierung und Vernetzung führte schließlich zu dem, was wir heute als Industrie 4.0 kennen. Hier gibt es Chancen, Risiken und Veränderungen, die wir ebenfalls bereits betrachtet hatten[2], und denen sich die Manager der betroffenen Unternehmen stellen müssen.

Ein letztes Beispiel: die Elektromobilität. Ausgelöst durch die Umweltrisiken der herkömmlichen Verbrennungsmotoren, egal ob Benziner oder Diesel, und die begrenzte Verfügbarkeit fossiler Treibstoffe, wird derzeit verstärkt in allen Sparten auf einen Antrieb durch Elektromotoren gesetzt. Gerade im Automobilbereich ist die Branche in Aufruhr, es kursieren die wildesten Zahlen über mögliche Arbeitsplatzverluste und notwendige Ausgaben. Aber auch dabei geht es eigentlich um Veränderung, beziehungsweise um deren Bewältigung und der damit verbundenen Unsicherheiten[3].

Die Blockchain sollte ein Transaktionsproblem lösen

2008 veröffentlichte schließlich ein gewisser (und nach wie vor unbekannter) Satoshi Nakamoto einen Artikel mit dem Titel „Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System“[4] und löste ein Erdbeben aus. Ursprünglich wollte er damit das Problem der doppelten Ausgaben lösen, und zwar ohne Intermediär, also eine zentrale Autorität oder einen Vermittler. Aber schnell wurde klar, dass die zugrunde liegende Technologie weitaus mehr leisten kann.

Zwei Hände ragen aus dem Computer und schütteln sich. Der Blockchain als verteiltes Hauptbuch wird vorhergesagt, dass sie die Weise, wie wir Transaktionen durchführen, revolutionieren wird (Foto: iconimage / Fotolia).

Transaktionen finden in der Blockchain zwischen unbekannten Partnern oder auch zwischen Maschinen statt (Foto: Elnur / Fotolia)

Die von ihm beschriebene und als Blockchain bezeichnete Technik eines verteilten und öffentlichen Kassenbuches, das Aufzeichnungen über alle getätigten Transaktionen enthält, wird mittlerweile von nicht wenigen Fachleuten als die nächste Revolution nach der Erfindung des Internets beschrieben. Denn sie ermöglicht es nicht nur, dass Personen unbekannter Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit miteinander Geschäfte machen können (Peer-to-Peer / P2P), sondern mittels sogenannter „Smart Contracts“ auch Maschinen untereinander (M2M). Und dies, ohne dass ein Bankinstitut, ein Händler oder ein Distributor als vertrauenswürdiger Treuhänder oder Vermittler benötigt wird, und ohne dass die Identität der beteiligten Parteien offengelegt wird.

Alle Transaktionen sind einsehbar

Das System des öffentlichen Kassenbuches setzt darauf auf, dass alle in einem Blockchain-Netzwerk zusammengeschlossenen Computer über eine Kopie dieses Buches verfügen. Die Manipulation einer einzelnen Kopie bleibt damit ohne Folgen, da die Transaktionen signiert sind und von mindestens 51% aller Beteiligten bestätigt werden müssen. Die Integrität des Gesamtsystems ist damit zu jedem Zeitpunkt gegeben.

Alle anfallenden Transaktionen, auch nicht-finanzieller Natur, werden zu sogenannten Blöcken zusammengefasst und diese in einem vorgegebenen Takt an die bestehende Kette angehängt. Dabei referenziert jeder Block die Prüfsumme (Hash) des vorhergehenden Blocks. Auf diese Weise entsteht eine lineare Sequenz und eine zeitliche Eindeutigkeit der Transaktionen. Jeder Block wird anschließend an alle Knoten des Systems repliziert. Folglich werden alle Einträge im Kassenbuch global und dauerhaft.

Wichtig dabei ist, dass jeder Knoten jederzeit alle Transaktionen einsehen kann, womit Daten und Verträge zu jedem beliebigen Zeitpunkt prüffähig sind, aber gleichzeitig nur offenlegen, welche (virtuellen) Quell- und Ziel-Geldbeutel beteiligt sind. Wem diese im Englischen „Wallet“ genannten Geldbeutel gehören, wird nicht mit abgelegt. Damit ist ein gewisses Maß an Anonymität gewährleistet.

Und die Blockchain-Technologie entwickelt sich weiter. War die ursprüngliche Blockchain (jetzt Blockchain 1.0 genannt) noch auf Krypto-Währungen wie Bitcoin beschränkt, so erlaubt die Version 2.0 (Ethereum) Verträge, sogenannte Smart Contracts, und erweitert die Technologie damit auf Bereiche wie das Internet der Dinge (Internet of Things / IoT) oder das Transportwesen. Blockchain 3.0 adressiert dann zusätzlich alle Anwendungsbereiche jenseits von Währungen, Finanzen und Märkten.

Die Blockchain ist bereits in Betrieb

Dabei ist die Blockchain nicht nur eine Theorie. Sie wird mittlerweile in vielen Bereichen eingesetzt. Beispielsweise entwickelte Innogy zusammen mit der Schweizer Bank UBS und mit ZF Friedrichshafen ein „eWallet“ genanntes System. Dieses wird unter dem Namen „share&charge“ für automatisierte Zahlungsvorgänge bei momentan über 1200 Peer-to-Peer Ladestationen für Elektroautos eingesetzt. Hierbei wird der Vertrag über den Ladevorgang und die anschließende Bezahlung über die Smart Contracts der Blockchain geregelt. Die privaten Anbieter und Käufer kennen sich also nicht, können sich aber auf eine ordnungsgemäße Abwicklung des Vorganges aufgrund der Blockchain verlassen[5]. Deshalb wird die Blockchain auch als das „Protokoll des Vertrauens“ bezeichnet [6].

Blockchain ist eine disruptive Technologie und wird ungezählte Bereiche verändern. Firmen wie Bosch (mit IBM[7]), Allianz (mit der B3i / Blockchain Insurance Industry Initiative[8]) oder Airbus (mit dem Beitritt zum Hyperledger-Projekt[9]) arbeiten intensiv damit.

Veränderungen müssen gemeistert werden

Aber warum kümmern wir von canmas uns darum? Der Grund liegt in den anstehenden Veränderungen, die diese Technologie verursacht und die gemeistert werden müssen. Zusätzlich zu den durch die Industrie 4.0 und das Internet der Dinge bedingten Umbrüche wird die Blockchain gerade auch in ebendiesen Bereichen zusätzliche Änderungen bewirken. Manche Sparten werden vollständig verschwinden, einige stark an Bedeutung verlieren und viele sich wandeln. Dies trifft die dort tätigen Unternehmen. Sie müssen sich darauf einstellen, verändern und lernen, damit umzugehen. Es wird also ein Anpassungsdruck auf die Firmen wirken, dem sie auf längere Zeit gesehen nicht ausweichen können, ohne ihre Existenz zu gefährden.

Dieser Druck wirkt natürlich zunächst einmal auf das Management. Denn es geschehen mehrere Dinge gleichzeitig: Industrie 4.0, das Internet der Dinge, Cloud Computing, neue Sicherheitsanforderungen und nun die Blockchain. Und in dieser komplexen Situation muss das Management Antworten finden. Zusätzlich besitzt alles eine nicht vorhersagbare Dynamik. Diese immense Vielschichtigkeit bewirkt Ängste, nicht nur bei den Führungskräften, sondern auch bei Mitarbeitern. Zu den von außen einwirkenden Kräften kommen also noch innere Schwierigkeiten. Dies alles kann gut mit dem Akronym VUCA beschrieben werden, welches ursprünglich vom amerikanischen Militär geprägte wurde. Es steht für Volatility (Unbeständigkeit), Uncertainity (Ungewissheit), Complexity (Vielschichtigkeit) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit) und beschreibt prägnant die Situation, in der sich die Unternehmen befinden. Ist man in einer derartigen Lage, ist es ratsam, sich Hilfe von außen in Form eines professionellen Veränderungsmanagements zu holen, denn eine solche Situation ist für das Management schwierig allein zu lösen.

Eine Schafherde löst das Problem nicht

Denn der Druck, den die Führungsebene wahrnimmt, wirkt auch auf die Mitarbeiter. Sie können nicht umhin, sich ebenfalls auf das neue Umfeld einzustellen. Die Arbeit wird sich verändern, die Belegschaft muss sich umstellen. Aber, wenn der Veränderungsprozess nachhaltig positiv wirken soll, dann müssen die Führungskräfte die Menschen mitnehmen und nicht wie eine Herde Schafe vor sich hertreiben.

Aber wie funktioniert das? Wie binde ich meine Mitarbeiter ein und beteilige sie an diesem Prozess, so dass sie davon begeistert sind und ihn aktiv mitgestalten? Dies ist ein zentraler Punkt und bedingt eine Veränderung auch des Führungsverhaltens. Dies kann auf verschiedenste Weisen passieren: Durch Beratung oder auch durch Geschäftssimulationen, sogenannten Serious Games, die sowohl den Personalverantwortlichen als auch denen, die den Weg mitgehen, das Rüstzeug mitgeben, um die Herausforderung zu meistern.

Industrie 4.0, das IoT und die Blockchain werden einen Umbruch bei Geschäftsprozessen bringen. Und dieser Umbruch wird schnell kommen und er wird radikal sein. Je früher die Unternehmen sich damit auseinandersetzen, umso besser sind sie für die Zukunft gerüstet. Denn Veränderung funktioniert nicht im Hauruck-Verfahren, sie benötigt Zeit.

[1] https://blog.canmas.biz/2016/06/24/smarte-unternehmen-smartes-grid – zuletzt abgerufen am 30. Juli 2017

[2] https://blog.canmas.biz/2016/04/25/fuehrung_industrie_40 – zuletzt abgerufen am 30. Juli 2017

[3] https://blog.canmas.biz/2017/05/29/die-elektromobilitaet-bringt-veraenderungen – zuletzt abgerufen am 30. Juli 2017

[4] https://bitcoin.org/bitcoin.pdf – zuletzt abgerufen am 30. Juli 2017

[5] https://www.heise.de/newsticker/meldung/E-Autos-Innogy-entwickelt-Ladestations-Plattform-mit-Blockchainzahlungen-3702960.html – zuletzt abgerufen am 30. Juli 2017

[6] Tapscott, Don und Tapscott, Alex: Die Blockchain Revolution. Plassen Verlag 2016

[7] http://www.bosch-presse.de/pressportal/de/de/bosch-und-ibm-starten-kooperation-fuer-iot-und-industrie-4-0-89409.html – zuletzt abgerufen am 30. Juli 2017

[8] https://www.allianz.com/de/presse/news/engagement/sponsoring/161019-versicherer-und-rueckversicherer-gruenden-b3i/ – zuletzt abgerufen am 30. Juli 2017

[9] https://www.btc-echo.de/airbus-tritt-hyperledger-projekt-bei-20160817/ – zuletzt abgerufen am 30. Juli 2017

Die Elektromobilität bringt Veränderungen

„Erstmals mehr Automobile mit Benzinmotoren als Elektroautos auf den Straßen!“. So oder ähnlich könnte die Schlagzeile einer deutschen Zeitung Mitte der 1910er Jahre gelautet haben, die damals das Aus der Elektromobilität verkündet hätte. Denn Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts war der Elektromotor die bevorzugte Antriebsart für Autos.

Auch wenn die Elektromobilität keine neue Erfindung ist, bedeutet sie eine große Veränderung. Und diese sollte fachmännisch begleitet werden.

Auch wenn die Elektromobilität keine neue Erfindung ist, bedeutet sie eine große Veränderung. Und diese muss fachmännisch begleitet werden.

Das erste Elektroauto stellte M. Gustave Trouvé 1881 vor. Carl Benz reichte sein berühmtes Patent über den Benz Patent-Motorwagen dagegen erst 1886 ein. Und Lohner-Porsche zeigte auf der Weltausstellung 1900 in Paris ein Hybridauto. Noch 1910 gab es mehr E-Autos als Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor[1].

E-Mobilität ist wieder in aller Munde

Derzeit spricht man wieder viel über Elektroautos. Auf den Straßen zu sehen sind sie aber kaum. Was war geschehen? Die anfänglich bestehenden Nachteile des Benziners, wie beispielsweise die problematische Versorgung mit Kraftstoff und das gefährliche Anlassen von Hand, konnten unternehmerische Weitsicht und der Einfallsreichtum der Ingenieure rasch beseitigen.

Demgegenüber konnte man die Nachteile des E-Autos nicht so leicht aus der Welt schaffen. Eine geringe Reichweite, der man in den USA versuchte mit einem Netzwerk von Batteriewechselstellen zu begegnen, und das große Gewicht der Batterien waren auf Dauer gesehen nicht tragbar. Damit begann der Siegeszug des Automobils mit Verbrennungsmotor und das elektrisch betriebene Auto wurde zum Nischenprodukt.

Heute schwingt das Pendel wieder in die andere Richtung. Aus Umweltgründen wird verstärkt auf die E-Mobilität gesetzt. So sollen auf deutschen Straßen nach dem Willen der Bundesregierung bis zum Jahr 2020 eine Million Elektroautos unterwegs sein[2], China will die Hersteller dazu zwingen, dass bis 2020 über 16% aller in China verkauften Fahrzeuge E-Modelle sind und Finnland überlegt ebenfalls gesetzliche Regelungen.

Die Industrie wandelt sich

Aber was bedeutet das für die Industrie? Das erste Ende der Elektroautos vor hundert Jahren hat sie gut überstanden. Und heute? Heute wird das Ende oder auch nur die Einschränkung der „Verbrennungsmobilität“ teilweise mit dem Untergang der deutschen Automobilindustrie gleichgesetzt. Unbestritten ist, dass dies einen großen Einschnitt bedeutet und Arbeitsplätze kostet. So schrieb NTV am 20.11.2016 in einem Artikel auf seiner Website[3], das die E-Mobilität bis zu 100.000 Stellen gefährdet, davon allein bei den Zulieferern mehr als 75.000. Die Zahlen schwanken und fallen zum Teil noch deutlich höher aus, je nachdem, wer die Einschätzung publiziert.

Die Verlustangst der Arbeitnehmer ist also nicht aus der Luft gegriffen, sie ist real. Denn ein Elektroauto besitzt eine wesentlich geringere Komplexität. Viele hochkomplizierte Baugruppen wie Verbrennungsmotor, Kupplung und Getriebe entfallen ganz oder teilweise, ebenso benötigt ein E-Mobil keine Komponenten zur Kraftstoffversorgung und zur Abgasbehandlung mehr.

Der den Verbrenner ersetzende E-Motor ist bedeutend einfacher im Aufbau, es sind deutlich weniger Teile zu fertigen. Zusätzlich neu benötigt werden nur Leistungselektronik und die Batterien. Dass dies, verbunden mit dem aufkommenden Übergang auf die Industrie 4.0, Stellen kosten wird, ist offensichtlich. Inwieweit neu entstehende Arbeitsplätze den Verlust in den althergebrachten Bereichen kompensieren können, bleibt abzuwarten.

Neue Techniken und Technologien werden entwickelt

Grundsätzlich ist diese Entwicklung durchaus spannend, neues tut sich auf. Es gilt, neue Techniken zu entwickeln und neue Technologien zu erforschen. Daher müsste eigentlich Aufbruchsstimmung herrschen. Aber warum bestimmt dann Katzenjammer die momentane Diskussion?

Zu der bereits angesprochenen Arbeitsplatzproblematik kommt hinzu, dass die klassischen deutschen Automobilhersteller derzeit nicht über das notwendige Know-how verfügen, sie sich dieses also erst noch erarbeiten müssen. So kommen beispielsweise die meisten Batterien aus Südkorea, eine deutsche Batterieentwicklung und -Produktion wird zurzeit erst diskutiert.

Zum anderen bedeutet der Wandel hin zur Elektromobilität eine Umstellung, eine weitreichende Veränderung. Und diese Veränderung betrifft nicht nur die Automobilhersteller, sondern auch die knapp 940 Zulieferer[4] und ungezählte Werkstätten in Deutschland.

Manche davon haben die notwendigen Schritte bereits eingeleitet. So hat Mahle, Marktführer bei Kolben und sonstigen Motorbauteilen, bereits 2014 den slowenischen Elektromotorhersteller Letrika übernommen, ZF fertigt eigene Elektroantriebe einschließlich Leistungselektronik und Werkstätten schicken ihre Mitarbeiter bereits auf Schulungen zum Thema E-Mobilität[5]. Dies alles ist kein „kann“, sondern ein „muss“. Wer sich selbst nicht wandelt, wird verschwinden.

Aber nicht alle Bereiche lassen sich schnell und einfach konvertieren. Hersteller von Werkzeugmaschinen für die Endbearbeitung von Kurbelgehäusen können nicht von heute auf morgen ein neues Tätigkeitsfeld finden. Zwar benötigt auch der Elektromotor ein Gehäuse, jedoch ist dieses bei weitem nicht so diffizil. Hier besitzen der Umbruch und die notwendige Veränderung eine ganz andere Dimension.

Der Umbruch muss begleitet werden

Damit Veränderung funktioniert, muss nicht nur das Management von der Notwendigkeit überzeugt sein. Sondern alle Mitarbeiter. Diese müssen die Zusammenhänge verstehen, die Ursachen und Wirkungen erkennen und ein gemeinsames Verständnis und Gesamtbild erarbeiten, um zielgerichtetes Handeln zu ermöglichen. Und hier kommt die Veränderungsberatung, das Change-Management ins Spiel. Denn diese sorgt dafür, dass die Führungskräfte nicht nur durch Business Coachings und Leadership-Trainings aktiviert werden, sondern letztlich auch verstehen, welche veränderte Rolle sie ausfüllen müssen. Sie haben in solchen ungewissen und dynamischen Veränderungssituationen die Aufgabe, Zusammenhänge zu verdeutlichen, das Gesamtbild zu skizzieren. Das bedeutet nicht, dass sie eine Antwort auf alle Fragen haben, was sich wie verändern wird. Das wäre auch nicht glaubhaft. Es geht darum, den Mitarbeitenden Einblicke in den aktuellen Stand, die vermuteten Entwicklungen und ersten Überlegungen zu geben, wie das Unternehmen damit umgehen könnte.

Die Stärke einer erfolgreichen Führung besteht heute darin, den Spagat zwischen der Definition des Rahmens und der Vermittlung von Sicherheit einerseits und der Schaffung von Freiräumen für die Kreativität und das Wissen der Vielen andererseits zu meistern. Dazu müssen sie Unsicherheit und Ambiguitäten aushalten. Sind sie damit erfolgreich, besteht die Chance, glaubwürdig die Mitarbeitenden mitzunehmen und aktiv einzubinden, um bessere und passendere Lösungen für die Zukunft zu gestalten.

Aber das Veränderungsmanagement darf sich nicht nur auf das Geben von Impulsen beschränken. Es muss während der Umsetzung der Veränderungsprogramme ein steter Begleiter sein und als Lotse zur Verfügung stehen, wenn es gilt, mit widersprüchlichen Prognosen und Entwicklungen umzugehen. Der Markt und die politischen Rahmenbedingungen sind heute hochdynamisch und der Prozess sollte kontinuierlich nachjustiert werden. Man darf nicht vergessen: Erfolgreiche Veränderung beginnt bei den Menschen! Wird dies beachtet, so wird die (Neu-) Einführung der Elektromobilität nicht nur gelingen, sondern ein Erfolg!

[1]   http://www.elektronikpraxis.vogel.de/meilensteine-der-elektronik/articles/545005/ zuletzt abgerufen am 29. Mai 2017

[2] https://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Themen/Energiewende/Mobilitaet/podcast/_node.html zuletzt abgerufen am 29. Mai 2017

[3]   http://www.n-tv.de/wirtschaft/E-Mobilitaet-gefaehrdet-bis-zu-100-000-Jobs-article19136246.html zuletzt abgerufen am 29. Mai 2017

[4]   https://de.statista.com/statistik/daten/studie/253827/umfrage/anzahl-der-betriebe-in-der-automobilindustrie/ zuletzt abgerufen am 29. Mai 2017

[5]   http://www.sueddeutsche.de/bayern/arbeitsplaetze-die-belegschaft-schlaegt-alarm-1.3245293 zuletzt abgerufen am 29. Mai 2017

Werde ich jemals aufhören zusammenzuzucken, wenn ich HR BP höre?

Human Resource Business Partner ist eine ebenso unsinnige wie unnötige Position. Warum man sie nicht benötigt, wenn die Personalabteilung frühzeitig in Entscheidungen eingebunden wird, erläutert Richard Wood (*) in seinem Gastblog.

(Die englische Version finden Sie hier.)

In den letzten sechs Monaten bin ich immer wieder über so unorthodoxe Jobtitel wie „Global Sales Hero“ gestolpert. Grundsätzlich vermute ich, dass solche Bezeichnungen nur benutzt werden, damit sie eine emotionale Reaktion hervorrufen und so leichter im Gedächtnis bleiben. Diesen ironischen Stil in seiner ursprünglich beabsichtigten Form kann ich akzeptieren. Nur würde ich mir wünschen, dass auch der Jobtitel „Human Resource Business Partner“ (HR BP) auf dieser Liste wäre. Nur: Er ist es halt nicht. Anstatt diesen Titel nicht ganz ernst zu nehmen, wird vielmehr von den Menschen, die diesen Titel haben, erwartet, dass sie für ihren neu verliehenen Status innerhalb der Unternehmen dankbar sind.

Business Partner?

Ist es für Nicht-Personaler heute nicht viel einfacher, einen Kollegen in der Personalabteilung zu finden, der ihre Sprache spricht, der das Geschäft versteht, ja, der sogar als Partner für die Geschäftsbereiche agieren kann, um Unternehmensziele zu erreichen? Geh einfach nur zu den HR BPs innerhalb der Personalabteilung; die können helfen, weil sie es verstehen – richtig?

Dies ist kein Seitenhieb auf die Personaler, die sich ernsthaft bemühen, mehr in ihre Organisationen eingebunden zu werden, um Geschäftsergebnisse zu beeinflussen und um zu Zukunftsstrategien beizutragen. Hier gibt es eine riesige Kluft! Ich kann mir bei besten Willen nicht vorstellen, dass man für Abteilungen wie Produktion, Logistik oder Vertrieb solche Business Partner Titel erfinden würde. Erwarten Sie jemals, jemand sagen zu hören: „Ich bin der CBPO (Chief Business Partner Officer)“? Einen Titel wie „Business Partner“ ausschließlich für die Personalabteilung zu verwenden, bedeutet nicht wirklich, die latente Voreingenommenheit gegen das HR-Team in Frage zu stellen, sondern heißt einfach nur: „Dieser Eine ist die Ausnahme von der Regel“. Das Hinzufügen dieses Labels zu bestimmten Individuen ermöglicht es Menschen und Organisationen, zu vermeiden, das zugrundliegende Problem anzugehen: Nämlich, dass HR-Profis oft geringgeschätzt und nicht respektiert werden.

Erster Gedanke – Wenn Sie sich nicht zum Partner der Organisation machen, um das Erreichen der Geschäftsziele zu unterstützen, wozu werden Sie dann überhaupt gebraucht?

Der Platz an der Spitze des Konferenztisches sollte eigentlich von HR besetzt werden. Leider ist dies noch nicht allzu häufig der Fall. Bild: Dmitry Koksharov - Fotolia.com

Der Platz an der Spitze des Konferenztisches sollte eigentlich von HR besetzt werden. Leider ist dies noch nicht allzu häufig der Fall. Bild: Dmitry Koksharov – Fotolia.com

Mitarbeiter- und Kompetenzstrategie

Sofern nicht die Wahrsager mit ihrer Vorhersage Recht behalten, dass alle unsere heutigen Jobs in den nächsten 5-10 Jahren durch superintelligente Cyborgs erledigt werden, dann wird eine wirksame und einflussreiche Personalstrategie der Eckpfeiler des „Wettbewerbsvorteil“ genannten Heiligen Grals sein. Und das bedeutet, dass alle HR-Teams von oben bis unten eine deutlich stärkere Rolle bei der zukünftigen Entwicklung der Organisationen spielen müssen.

Fortschrittliche HR Praktiker bringen dies bereits heute innerhalb ihrer agilen Organisationen fertig, und der Chief Human Resource Officer (CHRO) sitzt endlich an jenem Ehrenplatz, der so lange verwaist war. Das ist ein großartiger Fortschritt. Sobald in die Gespräche auf oberster Ebene mehr greifbares Personalerdenken einfließt, wird sich die Unternehmensstrategie mehr darauf konzentrieren, was für die Angestellten getan werden muss, um diese bei der Steigerung profitablen Wachstums zu unterstützen. Bis heute sind viele HR-Bereiche von den Strategiediskussionen auf höchster Ebene ausgeschlossen; trotzdem haben sie es irgendwie geschafft, eine Personalstrategie zu schnitzen, welche die Unternehmensziele unterstützt. Wie schön wird es dann, wenn erfahrene Personaler aktiv in den gesamten Prozess einbezogen werden und tatsächlich die Unternehmensstrategie vorantreiben, und zwar basierend auf den Menschen im Unternehmen.

Denkpause – Wenn die Personalabteilung eine führende Rolle bei der Strategieentwicklung übernimmt, brauchen wir dann eventuell neue „Partner für die Personalabteilung“ in allen anderen Abteilungen?

Veränderungen in Denk- und Handlungsmustern

Was muss getan werden? Wir müssen personalbezogene (Human Resources-) Fragen mit mehr Gewicht auf den Menschen (Humans) und weniger auf den Ressourcen gestalten. Jawohl, ein menschenbezogener Ansatz! Erstaunlich! Ich bin da  ein richtig abtrünniger Denker. Wir können damit aufhören, Menschen rigoros entsprechend den für uns ausgeführten Funktionen in Schubladen zu stecken und uns eher darauf zu konzentrieren, Organisationen so zu formen, dass es gleichzeitig Individuen und Firmen möglich ist, ihre jeweiligen Ziele zu erreichen. Dies beinhaltet, dass wir Silos einreißen, Kommunikation aufbauen, Erfahrungen teilen und damit aufhören, immer neue Bezeichnungen zu erfinden. Um das zu erreichen, müssen Mitarbeiter, in anderen Worten jeder unserer „Business Partners“, in den Prozess der Mitwirkung an der zukünftigen Ausrichtung der Firma einbezogen werden. Es sind wertegetriebene Verhaltensweisen, welche Organisationen weiterbringen und die Schaffung einer Gemeinschaft von Menschen, die um ein gemeinsames Ziel synchronisiert sind, wird immer das mächtigste Werkzeug sein, um jede Organisation zu höherer Performance zu bringen.

Abschließender Gedanke – Wie viele der uns bekannten Organisationen sind heute sowohl agil genug, um jetzt solche Veränderungen zu implementieren, als auch robust genug, um am Ende des Prozesses mit einem Lächeln herauszukommen?


(*) Richard Wood ist britischer Organisationspsychologe, der bei unserem Partner Celemi in Shanghai arbeitet. Wie canmas, fokussiert er sich in seiner Arbeit darauf, Menschen durch spannende Lehrmethoden und mit viel Spaß für Veränderungen zu mobilisieren.

Er ist aktives Mitglied in der HR Community in Shanghai, unter anderem als Vice Chair der HR Focus Group des British Chamber of Commerce und als Community Leader von Thrive in Asia in Shanghai.

Man kann Fakten nicht rein faktisch kommunizieren

Fakten allein transportieren keinen Inhalt. Um die Menschen bei Veränderungen mitzunehmen, ist es notwendig, auch die emotionale Seite anzusprechen und Sprachbilder – Frames – richtig einzusetzen.

Passt die Verpackung einer Sendung nicht zum Inhalt, so muss man sich nicht wundern, wenn dieser beschädigt ankommt. Dieser Satz fasst vereinfacht zusammen, worum es sich bei diesem Blogbeitrag handelt: Um die Kommunikation in Veränderungssituationen und warum eine faktenbasierte Kommunikation, und sei sie noch so klar, bedeutungslos bleiben muss.

Bei der Kommunikation von Veränderungen sollte unbedingt der Deutungsrahmen mitgeliefert werden.

Bei der Kommunikation von Veränderungen sollte unbedingt der Deutungsrahmen mitgeliefert werden. (Bild: canmas)

Denn, wenn es darum geht, in Unternehmen die Notwendigkeit, die Chancen und Risiken von Veränderungen an Mitarbeiter zu vermitteln, ist es besonders wichtig, Zusammenhänge zu verdeutlichen: Es gilt, das Gesamtbild zu zeichnen. Was sind die Ursachen der Veränderung? Wie beabsichtigen wir als Unternehmen, damit umzugehen? In welcher Situation sind wir, und was sollen oder wollen oder müssen wir daher tun? Und wie hängen alle Maßnahmen zusammen?

Menschen müssen gewonnen werden

Die Aufgabe einer solchen Change-Kommunikation ist es, Menschen für die anstehenden Veränderungen zu gewinnen. Es geht um das Verstehen der Rahmenbedingungen, um die Hintergründe der Bewertungen, um den Sinn von Aktionen und um die Motivation zur Mitarbeit an den Maßnahmen. Ängste müssen Raum bekommen, Befürchtungen angesprochen, Barrieren reduziert werden.

Dabei gilt es viele Aspekte zu beachten – die Art der Information, den Kontext von Diskussionen und natürlich auch den eigentlichen Inhalt. Es heißt: Kommunikation ist das, was ankommt. Dieser, zugegeben etwas abgedroschene, aber immer noch gültige Satz besagt, dass der Sender einer Information, beziehungsweise einer Botschaft, die Verantwortung dafür trägt, deutlich zu machen, was für ihn als Person wichtig ist.

Fakten allein reichen nicht aus

Was bedeutet dies für die Kommunikation von Veränderungen zu Beginn und während des Change-Prozesses? Wir stellen in unseren Projekten häufig ein Missverständnis fest: Es wird sehr oft als ausreichend angesehen, nur Fakten klar und eindeutig zu kommunizieren. Und dass dann jeder die Notwendigkeiten und Ursachen, die Dringlichkeit und die Folgerungen der Veränderung verstehen kann, wenn er nach Ansicht des Informierenden dazu nur willens ist, wird vorausgesetzt. Aber wir erleben auch immer wieder, dass dies eine zu technische Sicht ist. Denn unser Denken und unsere Sprache funktionieren nicht so. In Anlehnung an Watzlawicks „man kann nicht nicht kommunizieren“[1] könnte man sagen: Man kann Fakten nicht rein faktisch kommunizieren.

Es kommt auf den Zusammenhang an

Aber wie muss Kommunikation dann aussehen? Veränderungen wirken sich auf das aus, was unser Umfeld und unser Handeln und Verhalten im Unternehmen bisher geprägt und geleitet hat. In der Kommunikation dieser Veränderung werden immer auch Sprachbilder – Deutungsrahmen – vom Sprecher mitgeliefert, um die möglicherweise abstrakten Konzepte zu verdeutlichen. In diesen Frames findet sich sehr oft eine Beurteilung oder Bewertung wieder, die durchaus ambivalent sein kann. So kann das Sprachbild „auf dem Spiel stehen“ Spaß, Spannung oder Gewinn implizieren, aber ebenso Stress, Verlust oder Niederlage. Auf diese Sprachbilder und Deutungsrahmen sind wir ja bereits in unserem letzten Blog detailliert eingegangen und haben dort auch anhand einiger Beispiele erläutert, wie sie Inhalte positiv oder negativ erscheinen lassen können, oder diese sogar verharmlosen.

Eine Vermeidung dieser Deutungsrahmen, wenn es denn überhaupt ginge, würde dazu führen, dass die Inhalte bedeutungsleer würden. Wir brauchen Frames, um dem Gehörten Bedeutung zu geben, um es zu begreifen und damit einen Sinn zuschreiben zu können. Eine abstrakte Sprache, viele Fremdworte, aber auch „neutrale“ Worte, wo Dringlichkeit transportiert werden sollte: All das führt den Zuhörer tendenziell in die Irre und überlässt es ihm selbst, Bedeutungen zu (er-) finden, die eben seinen Frames, also seinen Erfahrungen, Werten und Intuitionen entsprechen. Menschen brauchen diese Deutungsrahmen, um für sich die Inhalte mit ihren Frames in Resonanz zu bringen; sie müssen passen, sonst werden sie nicht eindeutig verstanden.

Kommunikation benötigt Inhalte

Zusammenhänge und das Big Picture alleine reichen dann nicht aus, wenn sie ohne Bezug, ohne Rahmen transportiert werden. Die „Verpackung“ muss mitgeliefert werden. Dies bedingt eine Sprache, die an Alltagssituationen anknüpft, also eingängige Sprachbilder nutzt, die die Bewertung und die Einstellung des Sprechenden zu den Veränderungen deutlich machen.

Wie Menschen zu einer Sache oder einem Geschehen stehen, entscheiden sie auf Grund ihres Bauchgefühls und ihrer Werte. Eine Verpackung in der passenden Sprache und das Mitliefern der zughörigen Frames erleichtern es, dass diese emotionale Ebene erreicht wird. Wenn man so will, sollten die Inhalte so kommuniziert werden, dass „sie unter die Haut“[2] gehen. Sooft das gelingt, wird unser Gehirn besonders aktiv.

Eine solche Kommunikation setzt beim Sprechenden voraus, dass er mit sich bezüglich des eigenen Standpunktes, der eigenen Beurteilung und Bewertung im Reinen ist. Nur wer sich selbst Klarheit verschafft hat, kann bedeutungsvoll kommunizieren. Dann werden die Äußerungen mit den von Schulz von Thun artikulierten „Innerungen“[3] – den inneren Reaktionen – zusammenspielen, und es ergibt sich eine Kommunikation, die sowohl konsistent als auch unmissverständlich ist. Darüber hinaus sind gemeinsame Wertvorstellungen, wie Unternehmenskultur und -werte mehr als hilfreich. Denn diese Werte werden von den Zuhörern weitgehend geteilt. Sie stellen einen Bezugs- und Bedeutungsrahmen dar, der angesprochen und genutzt werden kann. Je klarer diese Basis für jeden ist, umso wirksamer und kräftiger wird das Framing für die Veränderung sein.

[1] Watzlawick, Paul, Beavin, Janet H., Jackson, Don D.: Menschliche Kommunikation, Bern: Huber 1969, Seite 53
[2] Siehe Vortrag von Gerald Hüther in Freiburg 2009: http://www.gerald-huether.de/content/mediathek/populaerwissenschaftliche-beitraege/inhaltliche-uebersicht/lernen/
[3] Schulz von Thun, Friedemann: Miteinander reden, Band 1-4, Rowohlt Verlag

Auf den Deutungsrahmen kommt es an

Ohne Deutungsrahmen ist Kommunikation bedeutungslos. Dann stiftet sie Verwirrung. Denn ohne Deutungsrahmen muss das, was der Empfänger einer Kommunikation versteht, nicht unbedingt das sein, was der Sender ursprünglich ausdrücken wollte.

Nicht umsonst heißt es: Kommunikation ist das, was ankommt. Während der Beratungsgespräche im Zuge unserer Veränderungsprojekte fällt ein Punkt immer wieder besonders auf: Die Bedeutung des Mitlieferns des Kontexts bei der Kommunikation von Veränderungsprozessen. Denn dieser bestimmt, was das Gegenüber versteht, der Inhalt allein reicht dazu nicht aus.

Der Deutungsrahmen ist von Bedeutung

Auf den Deutungsrahmen kommt es an. Ohne ihn ist Kommunikation ohne Bedeutung.

Frames machen Menschen schneller

Warum ist das so? Betrachten wir dazu ein von Aarts und Dijksterhuis beschriebenes Experiment[1]: In diesem bekommt eine Gruppe von Probanden einen Text zu lesen, in dem Geparden vorkommen. Im Text einer zweiten Gruppe kommt hingegen eine Schildkröte vor. Abschließend sollen beide Gruppen die Geschwindigkeit eines Menschen auf einem Foto einschätzen. Die „Gepardengruppe“ hält den Menschen für schneller als es die Teilnehmer aus der „Schildkrötengruppe“ tun. Dies zeigt, dass Sprache, Denken und Handeln auf das Engste miteinander verbunden sind. Der Grund dafür liegt in der Art und Weise, wie unser Gehirn funktioniert: „Wenn es gilt, Worte und Ideen zu begreifen, so aktiviert das Gehirn einen Deutungsrahmen“, einen sogenannten Frame[2].

Frames werden automatisch aktiviert

Wenn wir das Wort Hammer oder Kind hören, werden Frames aktiviert, in denen Nagel, Zange oder vielleicht Schmerz, beziehungsweise Mutter, Spielzeug oder Lachen vorkommen. Ganz abhängig von den Inhalten, die in unserem Gedächtnis verankert sind. Diese Inhalte sind individuell, aber auch gesellschaftlich-kulturell bedingt.

Die Rahmenbedingungen müssen also verstanden, aber auch weitergegeben werden. Gerade bei Sprachbildern ist bei der Übermittlung von Deutungsrahmen immer eine Bewertung verbunden. Denn Verstehen funktioniert über die Sprache und daher wird grundsätzlich auch eine Haltung, ein inneres Bild oder eine Einschätzung mit transportiert.

Frames lösen Reaktionen aus

Ein Beispiel: „Die Wucht der Digitalisierung trifft unsere Branche…“. Dieser Satz wird manchen verschrecken der ihn hört, denn das Sprachbild „Wucht“ wird bei vielen Empfängern dieser Kommunikation negative Gefühle auslösen. Dabei tut die Digitalisierung ja faktisch nichts, schon gar nicht mit Wucht. Dennoch schwingt durch das Sprachbild eine Wertung mit. Wucht wird mit Heftigkeit, Härte, Gewalt oder Vehemenz verbunden. In manchen Sprachräumen Deutschlands gar mit körperlicher Gewalt („eine Wucht bekommen“ bedeutet dort „eine Tracht Prügel bekommen“). Wie werden die Empfänger einer Veränderungskommunikation auf dieses Sprachbild reagieren? Positiv? Ablehnend? Die Antwort dürfte klar sein.

Dabei kann man die obige Aussage leicht anders formulieren: „Die zunehmende Digitalisierung unserer Branche schafft immer mehr Spielräume, …“. Dieser Satz sagt ziemlich dasselbe aus, benutzt aber unterschiedliche Sprachbilder und transportiert damit auch eine andere Bewertung.

Frames können verharmlosen

Derartige Beispiele gibt es viele, wie das Sprachbild „Klimawandel“. Ein recht neutrales Wort, aber passt es? Wird damit die Dringlichkeit der notwendigen Maßnahmen vermittelt? Die Antwort dürfte ebenfalls klar sein. Ein weiteres Bild ist die Flüchtlingswelle. Das Wort „Welle“ ist mit Wasser, Flut und vielen anderen Assoziationen verbunden. Also mit etwas, was das Gefühl auslöst, sich wehren zu müssen, oder im Falle eines Tsunami mit der Hilflosigkeit, sich nicht einmal wehren zu können.

Und als letztes Beispiel noch ein Sprachbild aus jüngster Zeit: Die Dieselthematik[3]. Dieses VW-interne Bild („Thematik“) steht in einem deutlichen Gegensatz zu Begriffen wie „Abgasskandal“[4] oder „Dieselgate“, wie es außerhalb VW verwendet wird. Thematik klingt nach technischem Problem, während Skandal oder dem Bezug auf Watergate deutlich einen bewussten und (zumindest in USA) strafrechtlichen Hintergrund transportiert. Es wird in dem Zusammenhang immer wieder die Frage aufgeworfen, wie stark sich in dem Bild der „Thematik“ (oder des Missverständnisses, wie es CEO Matthias Müller in einem Interview vor einem Jahr in Detroit ausgedrückt hat[5]) eine zumindest fragwürdige innere Einstellung der Verharmlosung manifestiert. In jedem Fall zeigt es sehr illustrativ, wie Worte Realität schaffen wollen und wie sie der eigenen Sichtweise einen Rahmen geben.

Alle diese Fälle zeigen, dass der Deutungsrahmen wichtig ist und ein unachtsamer Umgang damit Kommunikation manipulieren, zunichtemachen oder das Gesagte ins Gegenteil verkehren kann. Warum er aber trotzdem bedeutend ist und warum wir bei unseren Gesprächen darauf dringen, dass er unbedingt mitgeliefert wird, ist Thema des nächsten Blogs.

[1] Aarts, H.; A. Dijksterhuis: Category activation effects in judgment and behaviour: The moderating role of perceived comparability. In: British Journal of Social Psychology, 41, 2002, S.123-138
[2] Wehling, Elisabeth: Politisches Framing, Herbert von Halem Verlag, 2016
[3]  Presseseite VW: https://www.volkswagen-media-services.com/unternehmen/-/search/Unternehmen-Informationen-zur-Diesel-Thematik/search/81196_2847594
[4] Süddeutsche Zeitung vom 23. Januar 2017: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-alles-muss-auf-den-tisch-1.3344239
[5] http://www.npr.org/sections/thetwo-way/2016/01/11/462682378/we-didnt-lie-volkswagen-ceo-says-of-emissions-scandal

Wie man VUCA mit VUCA begegnet

Veränderungen sind in unserer Zeit an der Tagesordnung und nicht immer willkommen. Aber wie reagieren die Menschen darauf? Das kommt sehr stark auf den jeweiligen Grundtypen an.

Wohin geht die Reise: Veränderungen sind komplex und manchmal schwer zu greifen. Diese Situation wird gerne mit dem Begriff VUCA umschrieben.

Wohin geht die Reise: Veränderungen sind komplex und manchmal schwer zu greifen. Diese Situation wird gerne mit dem Begriff VUCA umschrieben.
© iStock.com / alphaspirit

Das Internet der Dinge (IoT, Internet of Things), die Industrie 4.0, oder einfach „nur“ der technische Fortschritt, wie beispielsweise die Energiewende oder der Übergang zur Elektromobilität: All dies bringt Wandel und Umbruch mit sich. Was dann passiert, kennen Sie von Ihrer eigenen Organisation sicherlich zur Genüge: Sobald Veränderungen anstehen, zeigen sich sehr schnell drei Grundtypen von Menschen.

Da sind zunächst einmal diejenigen, die neugierig sind. Die mitmachen. Die vielleicht sogar aufblühen, weil sie die Veränderung als Chance für sich oder ihr Unternehmen begreifen.

Dann gibt es diejenigen, die an der Seite stehen. Die unschlüssig, eventuell sogar skeptisch sind. Die abwarten und beobachten. Und die sich nicht sicher sind, ob nicht schon wieder eine andere Sau durchs Dorf, sprich die Organisation, getrieben wird.

Und schließlich diejenigen, die bremsen, nörgeln. Oder geradeheraus aktiv Widerstand leisten. Sei es offen oder hinter den Kulissen.

Jeder Grundtyp kann sein Verhalten begründen

Was treibt die Menschen der jeweiligen Grundtypen an, was sind ihre Motive? In den Gesprächen, die wir bei canmas im Rahmen unserer Veränderungsprojekte führen, hat so gut wie jeder einen subjektiv rationalen Grund für sein Verhalten:

Die Menschen in der ersten Gruppe sehen Chancen, sind vielleicht auch erleichtert, weil sie hoffen, dass sie mit den Veränderungen in eine bessere Zukunft aufbrechen, oder ein Risiko, eventuell sogar eine Gefahr, für das Unternehmen abwenden können. Oder sie sind einfach begeistert, da sie gestalten dürfen, gefragt werden. Und ihre Tätigkeit dadurch viel sinnhaltiger wird.

Die zweite Gruppe hat sich möglicherweise schon einmal eine blutige Nase geholt. Vielleicht haben diese Menschen darauf vertraut, dass ihre Organisation wirklich eine Veränderung möchte – nur, um dann festzustellen, dass das nur Lippenbekenntnisse waren. Anderen geht der Wandel zu schnell. Ein oft gehörtes Argument ist in diesem Fall: „Wir brauchen doch die wirtschaftliche Basis und Stabilität, damit wir uns den Wandel auch leisten können“. Und wieder andere sind von der Dynamik zunächst irritiert. Sie versuchen, die Zusammenhänge zu verstehen, was abhängig von der Art und Weise, wie die Veränderung kommuniziert wurde, ein komplexes Unterfangen darstellen kann.

Die dritte Gruppe befürchtet einen Kontrollverlust, vielleicht auch den Verlust einer hart erarbeiteten Position. Oder sie sehen Risiken, die aus ihrer Sicht nicht angesprochen wurden. Oder es ist die Angst vor Chaos, davor, dass sich bestehende Strukturen und Ordnungen auflösen, ohne dass eine stabile Grundlage vorhanden ist und ohne dass ein neuer Rahmen geschaffen wurde. Diese Angst begründet sich in der gefühlt immensen Komplexität, die eine Veränderung meist mit sich bringt.

Die Change Agents – also diejenigen, die das vorantreiben sollen – stehen hier zusätzlich zur Vielschichtigkeit ihrer Aufgabe noch vor einer weiteren Komplikation: Sie müssen alle diese Menschen und ihre Motive einbinden, aktivieren und deren Tun mit einer zielgerichteten Veränderung in Einklang bringen.

Ambiguity: Die Unsicherheit ist einer der Faktoren, die Veränderungen prägen.

Ambiguity: Die Unsicherheit ist einer der Faktoren, die Veränderungen prägen.
© burak çakmak / Fotolia

Unklare Perspektiven schaffen Verunsicherung

Diese Situation wird oft mit dem Akronym VUCA beschrieben: Volatility (Unbeständigkeit) – Uncertainity (Ungewissheit) – Complexity (Vielschichtigkeit) – Ambiguity (Mehrdeutigkeit). Und dies alles von innen wie von außen.

Es gibt aber noch ein gänzlich anderes, positiv besetztes, VUCA. Und dieses VUCA bietet eine Richtschnur, einen Kompass, mit dem man mit einer solchen Situation adäquater umgehen und auch führen kann.

Die Grundlage dafür ist die Überzeugung, dass heute Orientierungswissen mehr gefragt ist, als Fakten- (Verfügungs-)wissen[1]. Denn diese Situationen zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass Fakten zwar nicht an Bedeutung, aber an Gültigkeit verlieren. Weil neue, eventuell erst noch zu erkennende, Fakten entstehen. Zumal sich weder aus der Vergangenheit, und nicht einmal aus der Gegenwart, die Zukunft zuverlässig vorhersagen lässt. Passender ist es zu wissen, wie man sich in dieser Zeit orientiert, wie man navigiert, um das Ziel zu erreichen.

Diese Überzeugung bedeutet aber einen Paradigmenwechsel weg vom klassischen Verständnis von Führen und Führung. Der „Oben“ weiß nicht mehr alles besser, und er hat nicht mehr alle Informationen. Sondern er ermöglicht die Veränderung durch eine gute Balance zwischen der Schaffung von Freiräumen und dem Vorgeben, und ja, auch dem Vorleben, der Richtung. Dazu braucht es Mut und innere Kraft. Die Überzeugung muss sich aber ebenso in der Haltung, dem Inhalt und der Struktur der Kommunikation und dem eigenen Verhalten widerspiegeln. Und hier kommt dieses „andere“ VUCA ins Spiel. Es kann als Richtschnur dienen, dies alles zu steuern.

Ein positives VUCA hilft bei der Bewältigung

Das „V“ im „positiven“ VUCA steht für Vision: Dabei geht es darum, dass eine gemeinsame Vorstellung, wo die Reise hingeht, entwickelt und auch geteilt wird. Vorstellungen wirken dann aktivierend, wenn sie attraktiv, erstrebenswert, sinnvoll sind. Vorstellungen brauchen aber die Mitwirkung aller, und schon bei der Erarbeitung. Und das funktioniert nur durch Öffnen und Beteiligen, es geht um Aktivierung.

Das „U“ steht für Understanding, also Sinn, Verstehen. Menschen werden von sich aus aktiv, das heißt, intrinsisch motiviert, wenn sie die Veränderung verstehen, die Ziele begreifen und sinnvolle Zusammenhänge erkennen. Dann gewinnt dies alles an Wert. Und dies auch, weil selbst, aber durchaus geradeso im Zusammenspiel und Austausch mit anderen, ein Verständnis aufgebaut wurde. Und hier kommen die weiteren deutschen Bedeutungen des englischen Wortes Understanding ins Spiel: Denn es bedeutet auch Einverständnis, Vereinbarung, Übereinstimmung, also eine gemeinsame Übereinkunft über das Vorgehen.

„C“ steht für Clarity, also Klarheit und Transparenz, womit zwei verschiedene Aspekte gemeint sind. Zum einen Klarheit um Sinne von verständlichen und konsistenten Botschaften. Zum anderen Klarheit und Transparenz bei Aspekten, die im Augenblick noch nicht klar(er) gesehen werden können. Die Welt heute ist zu komplex und zu dynamisch, als dass wir genau planen könnten, was wie in welcher Reihenfolge passiert. Es gibt Unsicherheiten, Widersprüchlichkeiten. Und die dürfen, nein müssen sogar, offen benannt werden. Aus dem Projektmanagement ist die rollierende Planung[2] bekannt. Dabei handelt es sich um eine periodenorientierte Planungsform, bei der eine bereits erfolgte Planung nach bestimmten Zeitintervallen aktualisiert und überarbeitet wird. Softwareentwicklern ist vielleicht die verwandte Form des evolutionären Modells bekannt. Auch beim Umgang mit Veränderungen ist eine permanente Balance zwischen Planung und Anpassung erforderlich. Wer vorgibt genau zu wissen, wie sich dynamische Systeme entwickeln, verliert schnell seine Glaubwürdigkeit.

„A“ steht nun für Agilität. Das ist – anknüpfend an den vorherigen Aspekt – die Fähigkeit, flexibel und anpassungsfähig zu handeln, und ist daher die passende Haltung für den Umgang mit Veränderungen. Dies bedeutet aber nicht eine Haltung frei nach dem Motto „was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“, also nicht eine gewisse(nlose) Wendefähigkeit seiner Meinung. Es ist eine Haltung, die achtsam mit der Dynamik selbst, aber ebenfalls auch mit denjenigen Menschen umgeht, die die Veränderung inmitten dieser Dynamik strukturieren und formen sollen. Agilität hat mit Wahrnehmen, Verstehen und Lernen zu tun.

Die Menschen, die Veränderungen in Unternehmen bewirken, steuern und voranbringen wollen, sind daher Impulsgeber, Berater und Lotse in einem. Eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Und hier hilft das positive VUCA, um richtig mit VUCA umzugehen.

[1] Zuerst wurde die Unterscheidung von Orientierungs- und Verfügungswissen von dem deutschen Philosophen Jürgen Mittelstraß formuliert. Siehe Mittelstraß, Jürgen: Der Flug der Eule. Von der Vernunft der Wissenschaft und der Aufgabe der Philosophie. Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1989.
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Rollierende_Planung

Nachhaltigkeit statt Optimierung

Lineare Rezepte passen nicht mehr in die Zeit steigender Komplexität und zunehmender Vernetzung. Die Evolution ist gerade dabei, sie auszumustern.

In seinem Buch „Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung“[1] erzählt Hartmund Rosa eine sehr schöne Geschichte:

„Gustav und Vincent, zwei begabte Nachwuchskünstler, nehmen an einem Malwettbewerb teil. Sie haben zwei Wochen Zeit, ein Bild zu einem selbstgewählten Thema zu malen und es dann bei einer Jury einzureichen. Gustav nimmt die Aufgabe sehr ernst. Er weiß, was man zum Malen braucht und wie sich die Qualität eines Bildes steigern lässt: Zunächst besorgt er sich eine stabile Staffelei und die richtige Beleuchtung. Dann macht er sich auf die Suche nach einer hochwertigen Leinwand. Als er sie gefunden hat, bemüht er sich da­rum, sein Arsenal an Pinseln zu erweitern – er benötigt noch welche für die ganz feinen Linien und für die groben Striche. Nun fehlen ihm noch die richtigen Farben – die leuchtenden und die gedeckten und die matten und die glänzenden und solche, mit denen er die Zwischentöne beliebig anpassen kann. Dann hat er alles, was er braucht. Er repetiert noch einmal kurz die wichtigsten Maltechni­ken, die er einzusetzen gedenkt, und macht sich dann auf die Suche nach dem richtigen Thema. Was überzeugt ihn? Was begeistert ihn? Was trifft den Nerv der Zeit und ist dennoch nicht platt? Als er schließlich zu malen beginnt, sinkt schon die Sonne des letzten Tages vor Ablauf der Frist. Kürzer ist die Geschichte von Vincent: Er reißt ein Papier von seinem Zeichenblock, holt seinen Wasserfarbkasten, spitzt die Bleistifte, legt seine Lieblings-CD ein und beginnt zu malen: Zunächst ohne klare Vorstellung davon, was er da malt, entsteht nach und nach eine Welt voll Farben und Formen, die ihm stimmig erscheint. Wer wohl den Wettbewerb gewonnen haben mag?“

Bild mit Malutensilien und weißem Papier. Über die Suche nach der richtigen Technik und der richtigen Ausrüstung kommt eventuell die Kreativität zu kurz: Die Leinwand bleibt weiß.

Über die Suche nach der richtigen Technik und der richtigen Ausrüstung kommt eventuell die Kreativität zu kurz: Die Leinwand bleibt weiß.
Bild: avramchuck / Fotolia

Analyse und Optimierung – heute noch aktuell?

Auf Unternehmen übertragen, klingt die Vorgehensweise von Gustav vertraut: wir haben seit der Industrialisierung diese Vervollkommnung der Vorgehensweisen und des Materialeinsatzes immer weiter auf die Spitze getrieben. Wir sind zu Meistern geworden, Instrumente, Methoden und Prozesse zu analysieren, um immer mehr Optimierungspotenzial zu entdecken. Mal drehen wir eine Organisation daraufhin von links nach rechts – ein paar Jahre später von rechts nach links. Im besten Fall unter Berücksichtigung von Lerneffekten aus der vorangegangenen „Rechtsdrehung“. Solche Drehungen der Optimierungsspirale wirken aber wie ein Hamsterrad und es beschleicht einem das Gefühl, dass alles schon einmal gehört und gesehen zu haben. Dieser Eindruck trügt nicht. Die einzige Veränderung liegt darin, dass jedes Mal andere Menschen an der Spitze stehen, die allerdings wie ihre Vorgänger gebetsmühlenhaft wiederholen: „Jetzt wird alles besser!“

Grundsätzlich ist eine Überprüfung der aktuellen Geschäftssituation mit Blick auf Ressourcen, welcher Art auch immer, sinnvoll und richtig. Es scheint mir nur, dass diese starke, fast einseitige Fixierung auf Vervollkommnung der Prozesse und Techniken den Blick allzu stark einschränkt. Was wir übersehen sind die Begrenzungen, die dieser Tunnelblick provoziert. Dadurch übersehen wir neue Potenziale. Dadurch töten wir Kreativität.

Der Glaube an diese linearen Optimierungen als DAS richtige und einzige Vorgehen führt aber dazu, dass wir immer mehr Ressourcen hineinpacken müssen. Obwohl wir alle eigentlich wissen, dass Ressourcen – materielle wie immaterielle – auf gar keinen Fall unbegrenzt steigerbar sind. In dem bei uns weitgehend vorherrschenden Wettbewerb sind wir dessen Logik folgend aber gezwungen, Ressourcen immer weiter zu steigern, um im Spiel bleiben zu können (es gibt immer Maler, die noch bessere Materialien einsetzen als Gustav).

Bild zeigt aktive Nervenzellen. Vernetzung und Komplexität in der Geschäftswelt steigen und erinnern immer mehr an Nervenzellen Bild: adimas / Fotolid

Vernetzung und Komplexität in der Geschäftswelt steigen und erinnern immer mehr an Nervenzellen
Bild: adimas / Fotolia

Vernetzung und Komplexität erschweren die Vorhersagbarkeit

Durch die spürbar steigende Komplexität der Geschäftswelt und durch die dynamisch wachsende Vernetzung wird das Umfeld von Unternehmen nicht mehr linear vorhersehbar, dazu finden die Veränderungen in zu rascher Abfolge statt. Entwicklungen sind nur noch kurzfristig prognostizierbar. Wir wenden aber immer noch lineares Denken und Planen an, das aber immer weniger zur Realität passt. Bisher waren wir mit diesem, uns zudem sehr vertrauten, Ansatz ja auch sehr erfolgreich, aber nun passt er halt nicht mehr zur Realität.

Die Neurologie hat festgestellt, dass die Wiederholung von Alterprobten zum Überleben evolutionär sinnvoll ist. Was sich bewährt, wird selektiert und verstärkt sich über die Zeit. Darin liegt aber auch eine Quelle für mögliches, zukünftiges Scheitern. Verändert sich das Umfeld, können eingeübte Verhaltensweisen auf einmal ihren Sinn verlieren. Dies zu erkennen und loszulassen, um offen und neugierig nach neuen Strategien zu suchen, und sie auszuprobieren, kostet Überwindung und viel Energie.

Nehmen wir das nicht ernst, hecheln wir mit immer panischeren Anpassungen und planerischen Hakenschlägen einer Entwicklung nach, auf die unsere Rezepte einfach nicht mehr zutreffen.

Gibt es Alternativen?

Ja, es gibt Alternativen, aber sie verlangen eine Abkehr vom bisherigen Tun und Handeln, das Verlassen von ausgetreten Pfaden, so schwierig das auch sein mag. Denn, es wird immer wieder vergessen, dass in den Prozessen und den Geschäftsmodellen immer noch Menschen arbeiten, die diese verstehen, (mit-) tragen und leben müssen, also letztlich zu einem hohen Grad von diesen überzeugt sein müssen. Die soziale Innovation, d.h. der Umgang mit Menschen, bleibt immer noch zu oft und zu sehr außen vor. Menschen sind in diesem Weltbild eben auch nur Ressourcen.

Bild zeigt grünen Kristallglobus auf Moos. Nachhaltigkeit ist eine Alternative zur linearen Denkweise Bild: iStock.com / RomoloTavani

Nachhaltigkeit ist eine Alternative zur linearen Denkweise
Bild: iStock.com / RomoloTavani

Es geht aber auch anders. Der Organisationstheoretiker Thomas W. Malone vom MIT sieht zum Beispiel für die nächsten Jahre weniger technische Innovationen als entscheidend an, sondern vielmehr, wie Zusammenarbeit (auch mittels Technologie) anders organisiert werden kann. Diese Ansicht geht Hand in Hand mit der Erkenntnis, dass technische Innovationen heute zu sehr verengt gedacht und implementiert werden, in dem einfach nur Geschäftsmodelle und Prozesse verändert werden. Das entspricht der ressourcenoptimierenden Denkhaltung.

Ein weiteres Beispiel ist The Natural Step, eine NGO-Initiative aus Schweden, die einen systematischen Ansatz unter der Perspektive von nachhaltigem Wirtschaften verfolgt. Bereits 1989 gegründet, formulierte The Natural Step vier Prinzipien der Nachhaltigkeit.

Eines davon bezieht sich auf die soziale Nachhaltigkeit von Gesellschaften. Es lässt sich auch gut auf Unternehmen bzw. unternehmerische Strukturen übertragen. Demnach „erfahren Menschen keine systematischen Hindernisse in Bezug auf Gesundheit, Einfluss, Kompetenz, Unvoreingenommenheit, Sinnstiftung.“[2]

Dieses Prinzip kann als Richtschnur für eine potenzialorientierte Unternehmensführung dienen. Es gibt immer mehr empirische Hinweise darauf, dass Partizipation ein wesentliches und bestimmendes Merkmal zukünftig erfolgreicher Unternehmen sein wird.

Zur Partizipation gehören zum Beispiel:

  • Aktive und echte Beteiligung an Ideenfindungen und Entscheidungen
  • Empowerment, also das Überantworten von Spielräumen an Mitarbeiter
  • Transparenz, als Grundlage für neue Ideen, kreative Möglichkeiten

Für die Menschen (Führungskräfte wie Mitarbeiter) bedeutet das:

  • Die Wiederentdeckung der eigenen Neugier: Es heißt, dass Kinder 400 Fragen am Tag stellen[3] – wie viele stellen wir heute noch? Nicht umsonst empfiehlt der amerikanische Autor Warren Berger[4] den Unternehmen mehr Fragen zu stellen.
  • Eine Haltung entwickeln, in der (ehrlich gemeintes) Feedback als hoch wirksames Motivationsinstrument angewendet wird und damit Engagement erzeugt.

Resonanz – nicht nur in der Musik

Wir sind mit dem kleinen Beispiel von Hartmut Rosa über die Malerei in diese Betrachtung eingestiegen. Ein musisch-physikalisches Beispiel soll zum Abschluss dieses Blogs als Bild für die vorangegangenen Überlegungen stehen: Partizipation ist der Resonanz recht verwandt. Resonanz entsteht zwischen zwei Stimmgabeln (gleicher Frequenz), wenn die eine schwingt. Dies überträgt sich auf die Andere, die auch dann weiter schwingt, wenn die Erste verstummt. Beide Stimmgabeln sind offen, um auf die Impulse der anderen zu antworten, aber immer noch eigenständig, um auch alleine zu schwingen zu können. In diesem Sinne brauchen wir in Unternehmen mehr Resonanz.

[1] Rosa, Hartmut, Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung, Seite 15; 2016 Suhrkamp Verlag, Berlin

[2] http://www.thenaturalstep.org/our-approach

[3] http://www.sv-lex.de/aktuelles/nachrichten

[4] http://www.fastcodesign.com/1671756/the-5-questions-every-company-should-ask-itself

Smarte Unternehmen für das Smart Grid

Big Data, IoT, Virtualisierung, Change-Management: Nur wenige verbinden diese Stichworte mit dem Smart Grid der Zukunft. Doch auch sie sind Bestandteil der Energiewende.

Die Energieversorgung in Deutschland befindet sich im Umbruch. Neben dem groß diskutierten Thema der regenerativen Energien und der damit verbundenen dezentralen Stromerzeugung, geht es dabei auch um weniger offensichtliche Themen, die aber diesen Wandel wesentlich mitbeeinflussen. Die oben aufgeführten Stichworte sind dafür Beispiele.

Andere Bereiche haben dies schon früher mitgemacht. Man denke hier nur an die Informationstechnologie (IT), die sich in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts ebenfalls radikal umstellen musste: Stand Jahrzehnte lang die Hardware im Vordergrund, so wandelte sich das Geschäftsmodell in kurzer Zeit hin zu Softwareanbietern und IT-Dienstleistern. Neue Kompetenzen waren gefragt. Der reine Techniker hatte ausgedient, benötigt war auf einmal der branchenerfahrene Lösungsmensch, der kundig mit den Fachabteilungen diskutieren konnte. Auch aus der jüngeren Geschichte gibt es ein Beispiel: die Lichtindustrie. Durch die rasante Entwicklung der LED und durch regulatorische Eingriffe (Abschaffung der Glühbirne mit Glühwendel) wurde eine gesamte Industrie durcheinandergewirbelt. Es reichte nicht mehr aus, nur gute Glühbirnen herzustellen. Vielmehr wurde sogar die bisherige Fertigungstechnik obsolet und musste durch völlig andere Produktionstechniken ersetzt werden. Auf einmal war eine Elektronikfertigung notwendig und die alten Player im Markt mussten sich vom Leuchtmittelhersteller zum Anbieter von Lichtsystemen und –Lösungen wandeln, wenn sie nicht von neuen Unternehmen an den Rand gedrängt werden wollten. Das Licht selbst ist kein Produkt mehr; es wurde von der Systemlösung abgelöst. Ein Rundgang auf der diesjährigen Light & Building in Frankfurt machte dies überdeutlich, zeigte aber auch, dass sich mancher etablierte Hersteller noch schwer damit tut.

Einfach war früher

Auch im Smart Grid war bisher die Welt für alle Beteiligten übersichtlich und verständlich: Produktion, Lieferung und Abrechnung kamen aus einer Hand, meist von einem der großen Energieversorger oder den lokalen Stadtwerken.

Im neuen intelligenten Stromnetz ist es möglich, dass dafür jeweils ein eigenes Unternehmen zuständig wird. Die Produktion erfolgt durch Firma A (oder durch viele kleine, eventuell sogar private Erzeuger), die Verteilung übernimmt Firma B und die Abrechnung für den Verbraucher erstellt Firma C. Wobei die dazu notwendigen Zähler möglicherweise von der Firma D betrieben werden. Alles getrennte Firmen, jede mit ihrem eigenen Business Plan und ihrer eigenen Strategie.

All dies erzeugt viele Daten, die, damit das System weiterhin fehlerfrei funktioniert, ausgetauscht und analysiert werden müssen. Big Data eben, aber die Unternehmen haben keine andere Wahl, als sich darauf einzustellen. Dieser rasche Umbruch macht radikale Veränderungen nicht nur in den großen Konzernen, den Big Playern, notwendig, sondern zunehmend auch bei jungen und eigentlich agilen Firmen. Nur wer sich laufend verändert, stetig neu erfindet, wird diesen Wandel überleben. Man muss „smarter“ werden.

Change-Management ist wichtig

Diese, zum Teil auch von außen durch die Gesetzgebung angestoßenen und damit regulierten Veränderungen, finden nicht mehr wie bisher über einen Zeitraum von Jahren oder Jahrzehnten statt, sondern innerhalb von wenigen Monaten. Gesetze werden novelliert, Ausführungs- und Umsetzungsrichtlinien ändern sich, ebenso wie die Wünsche und Bedürfnisse der Verbraucher.

Die erwähnte Erhöhung des Tempos bringt erwartungsgemäß zunächst einmal die Großen der Branche in Bedrängnis. Denn über eine sehr lange Zeit eingefahrene Strukturen und Abläufe müssen aufgebrochen und in neue Organisationen überführt werden, und zwar in allen Geschäftsbereichen. Die Big Player haben keine andere Wahl als sich den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, wenn sie ihre Tätigkeit nicht irgendwann auf das reine Kerngeschäft reduziert sehen wollen. Dabei entstehen nicht nur neue Abteilungen, sondern möglicherweise auch neue, andersgeartete Firmen, die dann in der Lage sind, schneller und flexibler auf veränderte Vorgaben oder Trends zu reagieren.

Bei diesem Prozess der Veränderung ist es wichtig, dass alle Mitarbeiter und Führungskräfte eingebunden sind und dass die Anregungen, Ideen und Vorschläge dafür aus diesem Kreis heraus geboren werden. Nur wenn es gelingt, die Menschen mitzunehmen, ihnen die Hintergründe verständlich zu machen, wird der Umbau gelingen.

Externe Hilfe ist dabei von großer Bedeutung. Dies betrifft eine eingehende Beratung und dauerhafte Begleitung während des Prozesses ebenso, wie die Notwendigkeit sich frisches Wissen und neue Ideen durch die Zusammenarbeit mit jungen, unverbrauchten Unternehmen zu sichern. Ideen, Beratung, Begleitung, aber auch das gefahrlose Ausprobieren der angedachten Maßnahmen, beispielsweise durch Geschäftssimulationen, sogenannten Serious Games, sind hier entscheidende Faktoren.

Neue Geschäftsfelder sind möglich

Wird die Veränderung richtig durchgeführt, eröffnen sich neue Geschäftsfelder. Dazu gibt es in der jüngsten Vergangenheit einige Beispiele. Eines davon ist die Entstehung der Lemonbeat GmbH[1], einem internationalen Anbieter von Lösungen für das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT), die aus dem Geschäftsbereich Smart Home der RWE[2] hervorgegangen ist.

Das IoT ist aber nur eine der Möglichkeiten. Intelligente Straßenbeleuchtungen, Stromzähler und andere Energiemessgeräte sind ebenso Optionen, wie die Ermittlung von Stromfressern im Haushalt durch Power Disaggregation, bei der anhand der Netzrückwirkungen ermittelt wird, ob es sich bei dem Gerät um einen Toaster, eine Waschmaschine oder den Kühlschrank handelt. Ein weiteres Beispiel, das zudem den Vorteil der einfachen Skalierbarkeit besitzt, ist die Schaffung von Verbraucherportalen zur Aufbereitung und Visualisierung der gewonnenen Daten.

Will man als Firma näher an seinem angestammten Tätigkeitsfeld bleiben, so ist hier ebenfalls eine Neuausrichtung möglich. So haben beispielsweise die Stadtwerke München ihre Dienstleistung als Stromversorger durch den Aufbau eines virtuellen Kraftwerkes[3] erweitert. Durch die Vernetzung einer Vielzahl von kleineren Erzeugungsanlagen und Stromverbrauchern mit schaltbaren Lasten werden Erzeugungskapazitäten realisiert, die denen großer Kraftwerke gleichen. Durch eine zusätzliche Integration von innovativen Stromspeichern, in diesem Fall durch den weltweit erstmalig erfolgten gleichzeitigen Einsatz von 28 Schwungrädern[4], wird Mehrwert geschaffen, der vom Kunden honoriert wird.

Nur wer mithält, wird überleben

Aus diesen Beispielen erkennt man, dass Veränderungen notwendig und möglich sind. Und sie bieten, richtig angepackt, ungeahnte Möglichkeiten. Aber, die Geschwindigkeit der Änderungen und Neuerungen wird sich weiter erhöhen, was zurzeit am Internet der Dinge und an der Industrie 4.0 deutlich sichtbar wird.

Dabei darf die menschliche Seite nicht vernachlässigt werden; im Gegenteil, es muss ihr verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt werden. Denn durch diesen Wandel entstehen Unsicherheit und Ängste, es kommen Widerstände auf. Andere Kompetenzen können gefragt sein, da sich beispielsweise die Vertriebswege ändern können oder eine neue Koordination und Kooperation entlang der Fertigungsprozesse oder der Lieferkette notwendig wird. Dies den Menschen so verständlich und begreiflich zu machen, dass Ängste und Widerstände nicht nur abgebaut werden, sondern sich in aktive Mitwirkung verwandeln, ist eine große und gewiss nicht leichte Aufgabe. Für dieses „Mitnehmen“ der Menschen ist eine externe Unterstützung und Begleitung wertvoll. Wenn das Management, das den Wandel, das „Was“ auch und gerade persönlich vertreten und leben muss, und der externe Berater, dessen Kernkompetenz und Nutzen es ist, den Prozess, das „Wie“ zu konzipieren und zu steuern, gemeinsam unterwegs sind, wird sich der Erfolg mit Sicherheit einstellen. Denn nach wie vor gilt: Nur wer mithält, wird auf lange Sicht auch überleben.

[1] http://www.lemonbeat.com
[2] https://www.rwe-Smarthome.de
[3] http://www.swm.de/vkw
[4] https://www.swm.de/dam/jcr:357e56da-c403-407b-970d-b827d5287cb9/pm20151102-vkw-kinetischer-energiespeicher.pdf

Einfache Komplexität und die Führung

Haben Sie Lust auf ein kleines Experiment? Es gibt dabei etwas zu gewinnen: nämlich einen Gedankenanstoß, was die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung (Stichworte: Internet of Things / IoT, Industrie 4.0, mobiles Internet, usw.) für das Führungsverhalten bedeutet.

Führung in Zeiten der Komplexität

Immer wieder liest und hört man, dass unsere Welt verstärkt komplexer wird. Der ursprünglich in den neunziger Jahren vom amerikanischen Militär geprägte Ausdruck VUCA (Volatility / Volatilität – Uncertainity / Unsicherheit – Complexity / Komplexität – Ambiguity / Ambiguität) wird heute in der Wirtschaft als Akronym für diese Entwicklung verwendet. Von dem, was mit Digitalisierung und Vernetzung gemeint ist, wird (zu Recht) abgeleitet, dass es zu Systemen führt, die aufgrund ihrer Komplexität nicht mehr verlässlich vorhersagbar sind. Vielfach geht man in der (derzeit) gängigen Vorstellung von Management und Strategie davon aus, dass die Entwicklung weiterhin mehr oder weniger (linear) planbar ist. Auch Führung wird noch immer als durch das Highlander-Prinzip („Es kann nur einen geben“) beschrieben verstanden. Dieser „Eine“ legitimiert sich durch besseres Wissens und weiter reichende Vorausschau als derjenige, der die Richtung vorgibt. Und es wird dabei erwartet, dass alle die Überlegungen verstehen und nachvollziehen können und dann folgen. Oder, wenn das nicht der Fall ist, dennoch gehorchen und folgen. Nur, in der „VUCA-Welt“ funktioniert das immer weniger.

Das Experiment

Um das Phänomen der Komplexität an einem einfachen Beispiel zu verdeutlichen, möchte ich hier ein kleines Experiment mit Ihnen machen. Stellen Sie sich vor, Sie diskutieren nacheinander mit zwei Menschen. Weil es Ihnen wichtig ist, dass Ihr Gesprächspartner auch versteht, was Sie von ihm wollen, fragen Sie nach, was er verstanden hat. Dabei sollen Ihre Anliegen mit A, B, C oder D repräsentiert werden. Die andere Person gibt in ihren Worten wieder, was sie erfasst hat. Dies wird durch 1, 2, 3 und 4 repräsentiert. Dabei entspricht A 1, B 2, C 3 und D 4. Wenn Sie also A sagen und die Person 1 verstanden hat, passt das.[1]

Bei der ersten Person nimmt das Gespräch bezüglich des Verständnisses den folgenden Verlauf:

Die Kommunikation zwischen Ihnen und der Person 1 ist eindeutig und nachvollziehbar. Auf jedes Vorhaben wird mit dem gleichen Verständnis geantwortet.

Die Kommunikation zwischen Ihnen und der Person 1 ist eindeutig und nachvollziehbar.

Wenn Sie nun erneut A sagen, was wird wohl die Person verstehen?

Nun zur zweiten Person. Hier verläuft die Konversation so:

Die Kommunikation mit der Person 2 scheint gestört zu sein, läßt sich doch das Antwortverhalten nicht eindeutig vorhersagen. Daher läßt sich die Antwort auf die Frage "A" auch nicht prognostizieren.

Die Kommunikation mit der Person 2 scheint gestört zu sein, läßt sich doch das Antwortverhalten anscheinend nicht eindeutig vorhersagen.

Zunächst ist offensichtlich alles in Ordnung. Aber bei C beginnt ein Bruch im Verständnis. Und selbst wenn Sie dann B nochmals erklären, hat es den Anschein, dass Ihr Gegenüber dies anders versteht, als beim ersten Mal. Mit der ersten Person scheint es eine gute Verständigung zu geben. Die Reaktion (d.h. das Verständnis) ist recht gut vorhersagbar. Bei der Zweiten sieht es so aus, als ob in der Kommunikation etwas nicht stimmt. Seien Sie versichert, dass die zweite Person weder boshaft, noch statistisch oder chaotisch ist. Sie handelt bzw. versteht nach einem klaren inneren Schema (nennen wir es mal Motivation). Nur, Sie kennen es nicht und sind daher überrascht.

Sieht man mal davon ab, was das Beispiel für das „Motivieren“ von Menschen aussagen könnte, so zeigt es sehr eindrücklich, wie schnell eine eigentlich einfache Sache komplex und schwer vorhersagbar wird.

Komplexität erzwingt neue Führungsqualitäten

Die Auflösung des zweiten Beispiels ist: Die Person hat zwei „innere Zustände“ (Motivation). In welchem Zustand sich Ihr Gesprächspartner befindet, hängt jetzt von Ihrer gemeinsamen Vorgeschichte bzw. dem Verlauf bisheriger Kommunikation ab. Damit sind Sie beide gekoppelt und es entsteht eine gegenseitige Abhängigkeit. Bevor ich Ihnen nun die „Antwort“ gebe, möchte ich noch schnell erläutern, was das kleine Beispiel für die Trends und Veränderungen bedeutet, über die eingangs gesprochen wurde:

Der (zweite) Fall hat deutlich gemacht, wie schnell hohe Komplexität und Unvorhersehbarkeit entsteht. Die immer schneller werdende Vernetzung von (heute schon) digitalisierten Maschinen, Prozessen u.ä., die Globalisierung und alles was an Folgeeffekten daran hängt, führen dazu, dass sich auch unser Bild insbesondere der Führung (also dem Umgang mit Menschen) verändern muss. Die Bertelsmann Stiftung hat als Beispiel dafür verschiedene Organisations- und Führungsqualitäten in ihren bisherigen und künftig notwendigen Ausprägungen gegenübergestellt [2].

Zukünftige Führung benötigt andere Qualitäten und Qualifikationen (Quelle: Bertelsmann Stiftung: Zukunftsfähige Führung).

Zukünftige Führung benötigt andere Qualitäten und Qualifikationen (Quelle: Bertelsmann Stiftung: Zukunftsfähige Führung)[2].

Es kommt dabei klar heraus, dass die früheren Qualitäten konträr zu den Qualitäten stehen, die im künftigen Umfeld von den Unternehmen und den Menschen in den Organisationen benötigt werden.

Motivation ist des Rätsels Lösung

Jetzt zurück zu unserem Gedankenexperiment: Die zweite Person ist also unterschiedlich „motiviert“, je nachdem welche Aufgabe sie gestellt bekommt. Dadurch wird ihr Verständnis beeinflusst. Ich symbolisiere die beiden inneren Zustände mit einem Quadrat bzw. mit einem Dreieck – siehe Tabelle. Der Wechsel zwischen diesen beiden Motivationsausprägungen (Quadrat und Dreieck) hängt von der Vorgeschichte ab. Wie, das zeigt folgende Tabelle. Und daraus sehen Sie, dass die Person 2 Ihnen zwar „komplizierter“ erscheint als die erste (weil Sie die inneren Befindlichkeiten und die Dynamik, also den Wechsel von einem Zustand in den anderen nicht kennen). Sie ist aber immer noch einfach, denn sie besitzt eine klare und eindeutige (innere) Struktur, auch wenn diese für Sie zunächst im Dunkeln bleibt.

Dieses Bild zeigt, dass nach gewissen Vorhaben ein Wechsel in einen anderen Motivationszustand erfolgen kann, die Antworten jedoch immer einem klaren Schema folgen.

Beachtet man die verschiedenen Motivationszustände der Person 2, wird klar, dass auch deren Verständnis einem klaren inneren Schema folgt.

Mit dieser Einsicht wird klar, dass mit dem „D“ und der Antwort 4 ein erneuter Wechsel der inneren Einstellung („Motivation“) erfolgt (in den „Zustand“ Dreieck) und daher die Reaktion auf das Anliegen ›A‹ die Antwort 4 sein wird.

Viel schwieriger wird es, wenn Sie zu Menschen sprechen, die eine Vielzahl an „inneren Zuständen“ (Gefühle, Interessen, Auffassungsgabe, etc.) haben. Damit müssen Sie bei der Führung zurechtkommen.

Zusammenfassend kann man also folgendes sagen: die Umwelt, in der sich unsere Unternehmen und Organisationen zukünftig bewegen müssen, sind dynamisch und komplex. Um mit dieser Komplexität sinnvoll umzugehen, brauchen Sie Menschen in Ihrem Unternehmen, mit denen Sie den Weg Ihres Unternehmens beim Gehen finden. UM die Menschen dazu zu gewinnen, sich aktiv einzubringen, ist eine andere Art und Haltung bei der Führung notwendig und zwingend erforderlich. Da Führung zwischen Menschen über Kommunikation passiert und Menschen ebenfalls komplexe „Wesen“ sind, ist diese andere Art der Führung elementar wichtig, um in der raschen Dynamik unserer Märkte und Entwicklung erfolgreich zu navigieren.

[1]angelehnt an: Foerster, H. von (1988). Abbau und Aufbau. In: F. B. Simon (Hrsg.) (1977): Lebende Systeme. Wirklichkeitskonstruktion in der systemischen Therapie., Taschenbuchausgabe, Frankfurt (Suhrkamp)

[2] Gebhard B., Hofmann, J., Roehle H. (2015): Zukunftsfähige Führung. Bertelsmann Stiftung (http://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/zukunftsfaehige-fuehrung/).