Ohne Deutungsrahmen ist Kommunikation bedeutungslos. Dann stiftet sie Verwirrung. Denn ohne Deutungsrahmen muss das, was der Empfänger einer Kommunikation versteht, nicht unbedingt das sein, was der Sender ursprünglich ausdrücken wollte.
Nicht umsonst heißt es: Kommunikation ist das, was ankommt. Während der Beratungsgespräche im Zuge unserer Veränderungsprojekte fällt ein Punkt immer wieder besonders auf: Die Bedeutung des Mitlieferns des Kontexts bei der Kommunikation von Veränderungsprozessen. Denn dieser bestimmt, was das Gegenüber versteht, der Inhalt allein reicht dazu nicht aus.
Frames machen Menschen schneller
Warum ist das so? Betrachten wir dazu ein von Aarts und Dijksterhuis beschriebenes Experiment[1]: In diesem bekommt eine Gruppe von Probanden einen Text zu lesen, in dem Geparden vorkommen. Im Text einer zweiten Gruppe kommt hingegen eine Schildkröte vor. Abschließend sollen beide Gruppen die Geschwindigkeit eines Menschen auf einem Foto einschätzen. Die „Gepardengruppe“ hält den Menschen für schneller als es die Teilnehmer aus der „Schildkrötengruppe“ tun. Dies zeigt, dass Sprache, Denken und Handeln auf das Engste miteinander verbunden sind. Der Grund dafür liegt in der Art und Weise, wie unser Gehirn funktioniert: „Wenn es gilt, Worte und Ideen zu begreifen, so aktiviert das Gehirn einen Deutungsrahmen“, einen sogenannten Frame[2].
Frames werden automatisch aktiviert
Wenn wir das Wort Hammer oder Kind hören, werden Frames aktiviert, in denen Nagel, Zange oder vielleicht Schmerz, beziehungsweise Mutter, Spielzeug oder Lachen vorkommen. Ganz abhängig von den Inhalten, die in unserem Gedächtnis verankert sind. Diese Inhalte sind individuell, aber auch gesellschaftlich-kulturell bedingt.
Die Rahmenbedingungen müssen also verstanden, aber auch weitergegeben werden. Gerade bei Sprachbildern ist bei der Übermittlung von Deutungsrahmen immer eine Bewertung verbunden. Denn Verstehen funktioniert über die Sprache und daher wird grundsätzlich auch eine Haltung, ein inneres Bild oder eine Einschätzung mit transportiert.
Frames lösen Reaktionen aus
Ein Beispiel: „Die Wucht der Digitalisierung trifft unsere Branche…“. Dieser Satz wird manchen verschrecken der ihn hört, denn das Sprachbild „Wucht“ wird bei vielen Empfängern dieser Kommunikation negative Gefühle auslösen. Dabei tut die Digitalisierung ja faktisch nichts, schon gar nicht mit Wucht. Dennoch schwingt durch das Sprachbild eine Wertung mit. Wucht wird mit Heftigkeit, Härte, Gewalt oder Vehemenz verbunden. In manchen Sprachräumen Deutschlands gar mit körperlicher Gewalt („eine Wucht bekommen“ bedeutet dort „eine Tracht Prügel bekommen“). Wie werden die Empfänger einer Veränderungskommunikation auf dieses Sprachbild reagieren? Positiv? Ablehnend? Die Antwort dürfte klar sein.
Dabei kann man die obige Aussage leicht anders formulieren: „Die zunehmende Digitalisierung unserer Branche schafft immer mehr Spielräume, …“. Dieser Satz sagt ziemlich dasselbe aus, benutzt aber unterschiedliche Sprachbilder und transportiert damit auch eine andere Bewertung.
Frames können verharmlosen
Derartige Beispiele gibt es viele, wie das Sprachbild „Klimawandel“. Ein recht neutrales Wort, aber passt es? Wird damit die Dringlichkeit der notwendigen Maßnahmen vermittelt? Die Antwort dürfte ebenfalls klar sein. Ein weiteres Bild ist die Flüchtlingswelle. Das Wort „Welle“ ist mit Wasser, Flut und vielen anderen Assoziationen verbunden. Also mit etwas, was das Gefühl auslöst, sich wehren zu müssen, oder im Falle eines Tsunami mit der Hilflosigkeit, sich nicht einmal wehren zu können.
Und als letztes Beispiel noch ein Sprachbild aus jüngster Zeit: Die Dieselthematik[3]. Dieses VW-interne Bild („Thematik“) steht in einem deutlichen Gegensatz zu Begriffen wie „Abgasskandal“[4] oder „Dieselgate“, wie es außerhalb VW verwendet wird. Thematik klingt nach technischem Problem, während Skandal oder dem Bezug auf Watergate deutlich einen bewussten und (zumindest in USA) strafrechtlichen Hintergrund transportiert. Es wird in dem Zusammenhang immer wieder die Frage aufgeworfen, wie stark sich in dem Bild der „Thematik“ (oder des Missverständnisses, wie es CEO Matthias Müller in einem Interview vor einem Jahr in Detroit ausgedrückt hat[5]) eine zumindest fragwürdige innere Einstellung der Verharmlosung manifestiert. In jedem Fall zeigt es sehr illustrativ, wie Worte Realität schaffen wollen und wie sie der eigenen Sichtweise einen Rahmen geben.
Alle diese Fälle zeigen, dass der Deutungsrahmen wichtig ist und ein unachtsamer Umgang damit Kommunikation manipulieren, zunichtemachen oder das Gesagte ins Gegenteil verkehren kann. Warum er aber trotzdem bedeutend ist und warum wir bei unseren Gesprächen darauf dringen, dass er unbedingt mitgeliefert wird, ist Thema des nächsten Blogs.
[1] Aarts, H.; A. Dijksterhuis: Category activation effects in judgment and behaviour: The moderating role of perceived comparability. In: British Journal of Social Psychology, 41, 2002, S.123-138
[2] Wehling, Elisabeth: Politisches Framing, Herbert von Halem Verlag, 2016
[3] Presseseite VW: https://www.volkswagen-media-services.com/unternehmen/-/search/Unternehmen-Informationen-zur-Diesel-Thematik/search/81196_2847594
[4] Süddeutsche Zeitung vom 23. Januar 2017: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-alles-muss-auf-den-tisch-1.3344239
[5] http://www.npr.org/sections/thetwo-way/2016/01/11/462682378/we-didnt-lie-volkswagen-ceo-says-of-emissions-scandal